Von Dr. Tobias Theel und Lukas Klische (INTERVAL GmbH)
Einsamkeit kann uns alle treffen. Das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Und sie ist auch ein zentrales Thema in der Arbeit der Mehrgenerationenhäuser. In der 2022 durchgeführten quantitativen Befragung von Freiwilligen und in den qualitativen Erhebungen der Programmevaluation (1) haben wir Erkenntnisse gesammelt, wie Mehrgenerationenhäuser Einsamkeit entgegenwirken.
Wen kann ein freiwilliges Engagement besonders vor Einsamkeit schützen?
Die Ergebnisse der quantitativen Befragung zeigen deutlich, dass die Mehrgenerationenhäuser durch die Möglichkeit zum freiwilligen Engagement Einsamkeitsgefühlen entgegenwirken. So antwortete ein hoher Anteil von etwa 52 Prozent der Freiwilligen, dass sie sich durch ihr Engagement bedeutend weniger einsam fühlen würden. Unter den nicht erwerbstätigen Engagierten unter 65 Jahren antworteten dies sogar 80 Prozent. Außerdem stimmten freiwillig Engagierte mit Migrations- oder Fluchterfahrung der Aussage ebenfalls zu einem deutlich höheren Anteil zu, als in Deutschland Geborene. Fast 70 Prozent der freiwillig Engagierten mit Migrations- oder Fluchterfahrung geben an, sich durch das Engagement im Mehrgenerationenhaus weniger einsam zu fühlen. Bemerkenswert ist zudem, dass diejenigen Freiwilligen, die sich in deutlich höherem Umfang im Mehrgenerationenhaus engagieren, sich durch ihr Engagement auch bedeutend weniger einsam fühlen.
In welchen Regionen profitieren die Menschen stärker als in anderen von einem freiwilligen Engagement im Mehrgenerationenhaus?
Eigenen Einsamkeitsgefühlen entgegenzuwirken, ist vor allem für Freiwillige in ländlichen (54 Prozent) und strukturschwachen Regionen (56 Prozent) eine Motivation für ein Engagement im Mehrgenerationenhaus.
Welche Rolle spielen Angebote wie der Offene Treff für die Besucherinnen und Besucher?
Die qualitativen Daten der Fallstudienerhebungen verdeutlichen, dass Mehrgenerationenhäuser bereits durch Basis-Angebote wie beispielsweise den Offenen Treff der subjektiv wahrgenommenen Einsamkeit von Menschen entgegenwirken können. So beschrieb die Besucherin eines ländlich gelegenen Mehrgenerationenhauses in Brandenburg:
„Das Mehrgenerationenhaus ist eine feste Größe in der Gemeinde. […] Wenn das nicht da wäre, würde das ein ganz großes Loch in das Miteinander reißen. Gerade die Pandemie-Zeit ist ja auch ganz furchtbar für viele, denen zuhause die Decke auf den Kopf fällt vor bedrückenden Themen. Und wenn es im Mehrgenerationenhaus nur eine Stunde in der Woche ist, dann können die Leute da richtig aufblühen, Menschen treffen, sich austauschen.“
Nutzerin, Fallstudie 1, 2021
Was führt dazu, dass Menschen sich einsam fühlen und ein Mehrgenerationenhaus aufsuchen?
Die bisherigen Ergebnisse der Fallstudien zeigen, dass viele Menschen ein Mehrgenerationenhaus aufsuchen, weil sie sich einsam fühlen oder Angst vor Einsamkeit haben. Das gilt unter anderem in folgenden Lebenslagen:
- Ankommen an einem neuen Ort nach einem Umzug,
- Notwendigkeit zur Neuorientierung nach Renteneintritt und
- Sorge vor Vereinsamung im Alter, bspw. nach Auszug der Kinder oder Tod der Partnerin bzw. des Partners
Diese Ergebnisse zeigen: Gerade an Wendepunkten im Leben kann Einsamkeit entstehen. Menschen werden aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen und verlieren zumindest vorübergehend ihr soziales Umfeld oder enge Bezugspersonen. Hier können die Mehrgenerationenhäuser viel auffangen und abfedern. Zum Beispiel, wenn sie über ein ehrenamtliches Engagement ein neues Wirkungsfeld für die Betroffenen bieten. Oder indem sie einfach Orte der Begegnung sind, an denen sich Menschen treffen, austauschen und füreinander da sind.
(1) 1. Standardisierte Befragung der freiwillig Engagierten in den MGH 2022 (n=3.045)
2. Qualitative Fallstudiendaten der Evaluation aus den Jahren 2021-2023.