Wer selbst pflegebedürftig wird oder pflegebedürftige Angehörige hat, hat oft viele Fragen. Im Mehrgenerationenhaus Oestrich-Winkel stehen deswegen jeden ersten Freitag im Monat die Beratungsfachkräfte des Kompetenzzentrums Pflege des Rheingau-Taunus-Kreises in einer Sprechstunde Rede und Antwort. Sie beraten kostenfrei und trägerneutral zu allen Themen im Bereich Pflege. Die Kooperation zwischen dem Mehrgenerationenhaus und dem Kompetenzzentrum Pflege besteht bereits seit 2011 und hat sich bewährt. Denn sie ist vor allem eins: niedrigschwellig, bedarfs- und praxisorientiert.
Von Anfang an war der Pflegestützpunkt bereits mit Außensprechstunden an mehreren Orten im Landkreis vertreten, für viele jedoch trotzdem schwierig zu erreichen. „Wir haben im Landkreis eine sehr große Fläche abzudecken. Der Standort des Pflegestützpunktes war 30 Kilometer entfernt von Oestrich-Winkel – für viele Angehörige und Betroffene eine halbe Weltreise“, erzählt die Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses Christiane Kompch-Maneshkarimi.
Die Mehrgenerationenhäuser als niedrigschwelliger Anlaufpunkt
„Die Schwelle, sich mit dem Thema Pflege auseinanderzusetzen, ist in der Regel hoch. Sie fällt erst dann, wenn der Bedarf so groß ist, dass es alleine nicht mehr geht“, weiß Ellen Philipp, die für die Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit des Kompetenzzentrums Pflege zuständig ist. Aus ihrer Sicht profitiert das Kompetenzzentrum Pflege enorm von der Vielfalt der Mehrgenerationenhäuser: „Sie haben sich für uns als Raum für Beratung einfach bewährt, weil sie schon vor Ort etabliert sind. So bekommen wir mehr Aufmerksamkeit und werden unserem Anliegen, so früh wie möglich Zugänge zu den Menschen zu finden, besser gerecht“, fügt sie hinzu.
Seit dem Start des Angebots im Mehrgenerationenhaus verging kein Termin ohne Teilnehmende und die Bandbreite der Anliegen und Fragen ist groß. Von der Hilfe beim Ausfüllen eines Antrags bis zu Fragen bezüglich Pflegegraden und Leistungen der Pflegeversicherung – bei allem ist die Kompetenz der Pflegeberaterinnen und -berater gefragt. Immer wieder kommen auch Menschen in die Sprechstunde, die aktuell noch gar nicht pflegebedürftig sind, aber sich schonmal präventiv und vorausschauend beraten lassen wollen. Auch hier hilft die Pflegeberatung mit gezielten Informationen weiter.
Ein Teil der Beratung dreht sich dabei immer um psychosoziale Aspekte. „Viele Leute befinden sich schon in einer Pflegesituation, sind überfordert und am Ende ihrer Kräfte“, berichtet Petra Nägler-Daniel, die als Pflegeberaterin regelmäßig die Sprechstunde im Mehrgenerationenhaus in Oestrich-Winkel durchführt. „Da geht es dann auch darum, einfach mal da zu sein, zuzuhören und im nächsten Schritt zu überlegen, wie es weitergehen kann.“ Ganz wichtig sei dabei, einen wirklich geschützten Ort anzubieten. „Die Leute müssen hundertprozentig sicher sein, dass alles, was sie sagen, auch in diesem Raum bleibt“, fügt die Pflegeberaterin hinzu.
Mit Netzwerkarbeit Kompetenz bündeln
Das vernetzte Arbeiten und die Vielfalt der Mehrgenerationenhäuser haben neben dem erleichterten Zugang für viele Menschen auch noch einen anderen Vorteil: Immer wieder lassen sich schnell Lösungen finden, indem etwa eine Weitervermittlung an andere Angebote im Mehrgenerationenhaus oder geeignete Anlaufstellen aus dem Netzwerk erfolgt. Das System der Netzwerkarbeit wurde in Oestrich-Winkel mittlerweile auch auf andere Beratungsangebote, wie etwa die Integrations-, Familien- und Schuldnerberatungen, übertragen. „Die Pflegeberatung war eigentlich nur der Anfang eines Schneeballs und der war so positiv, dass wir dieses Prinzip einfach auch für andere Einsatzbereiche angewendet haben“, sagt Christiane Kompch-Maneshkarimi. Ihr Apell lautet daher: „Verbindet euch, arbeitet zusammen und holt euch die Leute rein ins Haus! Das schafft Verbindung zwischen allen, die im Sozialraum gemeinsam etwas bewegen wollen.“