Was bedeutet das Mehrgenerationenhaus für die Stadt Eltville?
Patrick Kunkel: Als Stadtverwaltung verstehen wir uns als Dienstleister. Wir fragen die Menschen, was sie brauchen. Dieser Servicegedanke lässt sich auch auf das Mehrgenerationenhaus übertragen. Für uns bildet es das soziale Zentrum in Eltville. Im Mehrgenerationenhaus reagieren wir auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger und tragen sie an die Kommune in den verschiedenen Gremien heran.
Andrea Schüller: Das Mehrgenerationenhaus gibt dem sozialen Miteinander in Eltville Wurzeln. Es ist zwar eine freiwillige Leistung, die wir als Kommune erbringen. Aber vom Herzen her ist es eigentlich eine Pflichtaufgabe. Wir sehen, dass wir damit bei den sozialen Themen ganz viel auffangen können. Ohne das Mehrgenerationenhaus wäre es einfach kalt in Eltville.
Sie haben ein Positionspapier mit dem Titel „Die neue Stadt“ geschrieben. Wo wollen Sie als Kommune und mit dem Mehrgenerationenhaus gemeinsam hin?
Andrea Schüller: Während der Corona-Zeit wurde für uns sehr deutlich, dass die Menschen einen Anker brauchen. Sie suchen in unsicheren Zeiten jemanden, an den sie sich wenden können. Die Kommunen bieten Sicherheit und sind für mich das Rückgrat der Gesellschaft. Das stärkt unterm Strich auch unsere Demokratie. Wenn die Kommunalverwaltung funktioniert, gelingt auch die Gemeinschaft an diesem Ort. Mit dem Positionspapier wollen wir das auch für die Zukunft sicherstellen.
Bettina Behrens: Integration und Vielfalt sind für uns große Themen, bei denen wir etwas bewegen und auch neue Kooperationspartner gewinnen möchten. Unser Ziel ist es, noch mehr unterschiedliche Menschen zu erreichen.
Patrick Kunkel: Der Titel ‚Die neue Stadt‘ ist angelehnt an das Buch ‚Das neue Land‘ der Autorin und digitalen Bildungsexpertin Verena Pausder. Und auch inhaltlich verfolgen wir ein ähnliches Ziel: Wir wollen Ideen für die Zukunft entwerfen. Wir haben einfach Lust, uns weiterzuentwickeln. Mit alten Verwaltungsstrukturen können wir der Digitalisierung, dem Fachkräftemangel und anderen Herausforderungen nicht beikommen.
Welche Rolle spielt das Mehrgenerationenhaus in der neuen Stadt?
Patrick Kunkel: Während Corona hatten wir Zeit, ein bisschen nachzudenken. In jeder Krise erkennt man, worauf es ankommt. Wir haben gemerkt, wie nah wir bei den Menschen sein müssen. Wir haben eine Impfberatung und einen Impfservice angeboten. Wir haben Aufgaben übernommen, die eigentlich gar nicht unsere sind. Aber es war eine wunderbare Erfahrung. Das Mehrgenerationenhaus steht im Mittelpunkt dieser sozialen Stadtgesellschaft. Hier laufen alle Fäden zusammen. Im Mehrgenerationenhaus erkennen wir Bedarfe und geben sie in das Netzwerk zurück. Das funktioniert so gut, weil die Schlüsselfiguren eng an die Stadtverwaltung angebunden oder sogar städtische Bedienstete sind.
Wie schafft man es, Angebote zu entwickeln, die den Menschen vor Ort wirklich weiterhelfen?
Andrea Schüller: Das gelingt am besten, wenn man dabei mit den relevanten Akteurinnen und Akteuren kooperiert. Ich möchte ein Beispiel nennen, wie das Mehrgenerationenhaus zusammen mit Partnerinnen und Partnern im Bereich Prävention passgenaue Angebote entwickelt. Der Weg zum Angebot führt hierbei immer über den Präventionsrat. Dort sitzen 40 Leute zusammen, die von unterschiedlichen Seiten an einem Thema arbeiten – Staatsanwaltschaft, Polizei, Kitas, Schulen, Beratungsstellen. Es ist wirklich bewegend, wie hier alle an einem Strang ziehen. Das hat eine unglaubliche Schlagkraft. Über den Präventionsrat haben wir ein sehr niedrigschwelliges Beratungsangebot im Mehrgenerationenhaus geschaffen. Dadurch läuft niemand Gefahr, stigmatisiert zu werden, weil man in eine Behörde geht. Man könnte auch eine Kursteilnehmerin oder ein -teilnehmer sein. Aus allen Themen, die in der Beratung mehr als einmal angesprochen werden, können weitere Angebote entstehen. Zum Beispiel ein Elternabend oder ein Vortrag. All unsere Angebote sind immer ganz nah an den Menschen dran.
Was können andere Kommunen und Mehrgenerationenhäuser über Kooperationen von Ihnen lernen?
Patrick Kunkel: Was man von uns lernen kann, ist vielleicht, dass die Stadtspitze voll hinter dem Mehrgenerationenhaus stehen sollte. Was wir als Kommunen machen, ist entscheidend für dieses Land. Wir wollen nach der Krise eine widerstandsfähige Stadt aufbauen. Der Sinn der Mehrgenerationenhäuser ist es auch, die Demokratie zu stärken. Das versuchen wir, zu organisieren.
Andrea Derstroff: Ich erlebe hier, wie selbstverständlich es ist, dass man sich auch ämterübergreifend hilft. Das wünsche ich allen Mehrgenerationenhäusern in städtischer Trägerschaft. Erst dann ist das Mehrgenerationenhaus eingebunden und bekommt die volle Wertschätzung. Wenn man sieht, dass sich der Bürgermeister kümmert, schlägt das auch Wellen nach außen.
Zu den Personen
Der Bürgermeister Patrick Kunkel und Andrea Schüller von der Stabstelle haben im Positionspapier „Die neue Stadt – wie es jetzt weitergeht!“ festgehalten, wie sie sich das Eltville der Zukunft vorstellen. Bettina Behrens leitet das Amt für Soziales, Kitas, Sport und Vereine, bei dem auch das Mehrgenerationenhaus angesiedelt ist. Andrea Derstroff ist seit Januar 2021 die Koordinatorin des Hauses.