Wie steht es um das Bewusstsein für Umwelt- und Klimathemen in der Bevölkerung?
Das Umweltbewusstsein ist bei den Menschen in Deutschland insgesamt recht stark verankert. Wir sehen ein Grundbewusstsein in der Bevölkerung, das sich über die letzten fünfundzwanzig Jahre verfestigt hat und relativ konstant bleibt. Den Menschen ist es wichtig, Ressourcen zu schonen und natürliche Lebensgrundlagen zu erhalten. Die – in erster Linie von jungen Menschen getragene – Klimabewegung hat das Bewusstsein für die Notwendigkeit zu politischem und gesamtgesellschaftlichem Handeln vor allem in den Jahren 2018 und 2019 noch einmal beflügelt und mehr ins Alltagsbewusstsein der Menschen gerückt. Im Rahmen unserer letzten Erhebung hat sich gezeigt, dass die vielfältigen Krisen in der Welt das Thema Klimaschutz und Umwelt ein Stück weit in den Hintergrund treten lassen. Dennoch waren im Sommer 2022 57 Prozent der Menschen in Deutschland der Ansicht, dass Klimaschutz ein sehr wichtiges gesellschaftliches Thema sei.
Welche Sorgen sind mit diesem Thema in der Bevölkerung verknüpft?
Mit der Umweltbewusstseinsstudie 2022 haben wir den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der deutschen Wirtschaft thematisiert, der aktuell vorangetrieben wird. Wir beobachten in diesem Kontext, dass verschiedene Sorgen damit verbunden sind und dass sich diese nach soziodemografischen Gruppen unterscheiden. Insbesondere bei Menschen mit niedriger formaler Bildung und geringem Einkommen ist die Angst weit verbreitet, den Arbeitsplatz zu verlieren oder sozial abgehängt zu werden. Die Sorge vor steigenden Lebenshaltungskosten besteht hingegen durch die meisten sozioökonomischen Gruppen hindurch. Mit Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre zeigt sich außerdem die Befürchtung, dass noch ambitionierterer Klimaschutz die Preisentwicklungsspirale weiter befeuern könnte. Andererseits gibt es auch Gruppen, die die Sorge haben, dass die aktuellen klimapolitischen Maßnahmen nicht ausreichen und wir als Gesellschaft auf eine düstere Zukunft zusteuern.
Wie wichtig sind ein großes Bewusstsein und eine positive Einstellung in der Bevölkerung, damit Transformationsprozesse wirklich vollzogen werden können?
Eine positive Einstellung halte ich für grundsätzlich sehr wichtig. Es war spannend zu sehen, wie die Klimabewegung auf den Straßen und in den Medien präsent war und damit ein starkes Bewusstsein zum Ausdruck gebracht hat. Das hat der Umwelt- und Klimapolitik viel Rückenwind gegeben und dazu beigetragen, dass zum Beispiel das Klimaschutzgesetz in Deutschland auf den Weg gebracht wurde. So wurden auf politischer Ebene Maßnahmen durchgesetzt, die vorher nicht möglich schienen. Außerdem ist mit mehr Akzeptanz von Maßnahmen zu rechnen, wenn die Bevölkerung den Ernst der Lage erkennt. Auch der Diskurs in den Medien spielt hier natürlich eine Rolle. Was in den Medien und der Politik passiert, hat Auswirkungen auf das Bewusstsein der Menschen und wie sie dieses zum Ausdruck bringen. Das wiederum hat Einfluss auf mediale Diskurse und politische Debatten. Es ist also ein Stück weit eine wechselseitige Bewegung.
Wie lässt sich das Bewusstsein für das Thema noch weiter steigern?
Bestimmte Diskurse können die Sorgen in der Bevölkerung noch verstärken. Deshalb ist es wichtig, sich mit diesen Ängsten wirklich auseinanderzusetzen, sie nicht nur kommunikativ ernst zu nehmen, sondern auch konkret zu fragen: Wie können wir die Handlungsspielräume der Menschen verbessern und sie entsprechend unterstützen? Hier können auch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure dazu beitragen, Lösungen zu entwickeln, die wirtschaftlich tragfähig, aber eben auch sozial verträglich, sind. Dabei kann eine Vorstellung davon entstehen, wie eine positive, nachhaltige Zukunft aussehen könnte. Besonders wichtig ist es, Ängste ab- und positive Zukunftsbilder aufzubauen. Dadurch kann das Bewusstsein in der Bevölkerung positiv bestärkt werden.
Wie können Ängste abgebaut werden? Und welche Rolle können die Mehrgenerationenhäuser dabei spielen?
Unsere letzte Studie zum Umweltbewusstsein und auch andere aktuelle Studien zeigen, dass die jüngere Generation zwischen 14 und 29 Jahren und die Älteren ab 65 recht ähnliche Einstellungen mit Blick auf die Umwelt haben. Das Bild „Jung gegen Alt“ ist also überzeichnet und entspricht nicht der Realität. Allerdings kommunizieren junge und ältere Menschen selten direkt miteinander. Da bieten vor allem die Mehrgenerationenhäuser einen guten Raum, dass überhaupt generationenübergreifender Dialog und Austausch stattfinden kann und Impulse für eine nachhaltige Zukunftsperspektive entstehen. Denn die Erhaltung eines lebenswerten Planeten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und da schlummert noch viel gesellschaftliches Potenzial. Daher ist es wichtig, generationenübergreifend miteinander ins Gespräch zu kommen und Lernorte für ein umweltbewusstes und nachhaltiges Verhalten zu schaffen. Da bieten sich die Mehrgenerationenhäuser als Orte, wo dies passieren kann und schon wichtige Arbeit geleistet wird, natürlich besonders an.
Zur Person
Dr. Angelika Gellrich ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltbundesamt. Dort arbeitet sie im Fachgebiet „Wirtschaft und sozialwissenschaftliche Umweltfragen, nachhaltiger Konsum“. Sie koordiniert als Fachbegleiterin die Forschungsarbeit zu den regelmäßigen Studien zum Umweltbewusstsein in Deutschland. Die aktuelle Studie zum Umweltbewusstsein wurde im vergangenen Jahr veröffentlicht.