Worum geht es bei dem Projekt?
Ulla Hahn: Beim Abenteuerland geht es darum, dass sich Kinder und ihre Familien wieder mehr mit der Natur und ihren Lebewesen beschäftigen. Wir möchten einen Ort schaffen, an dem Kinder wieder mehr draußen sind, Hütten bauen und Feuer machen. Mit dem Umzug ins neue Abenteuerland vor circa fünf Jahren haben wir auch verstärkt den Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt. Bei uns kommen Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung unter pädagogischer Anleitung zusammen und lernen, wie ein Miteinander mit der Natur, ihren Lebewesen, aber auch mit anderen Menschen funktionieren kann. Sie können ihre Kreativität entfalten, neue Dinge dazulernen und sollen wissen, dass hier jede und jeder willkommen ist. Prinzipiell ist das Abenteuerland das ganze Jahr über von Montag bis Freitag nachmittags geöffnet. Samstags treffen sich unsere Integrationsgruppen für ihr Freizeitprogramm.
Roland Zettel Kreide: Besonders für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen gibt es oft nur sehr wenige Angebote. Wir als sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung haben also in der Regel große Probleme damit, Kooperationspartnerinnen und -partner zu finden. Gerade deshalb ist das Abenteuerland des Mehrgenerationenhauses sehr, sehr wichtig für uns. Es ist ein einzigartiger Ort, zu dem unsere Schülerinnen und Schüler sehr gerne kommen.
Was lernen die Kinder im Abenteuerland in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit?
Ulla Hahn: Im Abenteuerland ist alles zusammengewürfelt, seien es die Fenster, Böden oder Möbel. Wir bauen im Abenteuerland vieles selbst und verwenden Materialien wieder. Wir legen großen Wert darauf, den Kindern zu erklären, warum wir das so machen. Wir haben auch Hochbeete, die für die Kinder sehr lehrreich sind. Viele von ihnen wissen einfach nicht, woraus zum Beispiel eine Pommes besteht. Wenn sie Gemüse eigenständig anpflanzen, sehen wie es wächst, es letztlich ernten und gemeinsam am Feuer kochen, verstehen sie: Kartoffeln und Möhren kommen nicht einfach aus dem Supermarkt. Zum großen Erstaunen ihrer Eltern essen die Kinder das Gemüse dann sogar gerne. Wir basteln auch sehr viel mit Naturmaterialien und versuchen, so wenig Plastik wie möglich zu verwenden. Wenn man den Kindern all das richtig erklärt, verstehen sie automatisch, was Nachhaltigkeit bedeutet.
Warum ist die Beschäftigung mit der Natur gerade für Kinder so wichtig?
Ulla Hahn: Indem sich die Kinder mit der Natur beschäftigen, merken sie, dass alle Lebewesen ihre Berechtigung und eine Aufgabe im Kreislauf haben. Sie lernen, dass sie einen Regenwurm nicht kaputttreten sollten. Vormittags haben wir immer eine Kleinkindnaturgruppe im Abenteuerland – die Grashüpfer. Im letzten Sommer zum Beispiel sind die Kleinen, von denen manche kaum laufen konnten, jeden Morgen mit ihren Eimerchen in den Garten gegangen und haben Schnecken eingesammelt und diese dann am Wald wieder ausgesetzt. Sie lernen also schon ganz früh: Wir müssen die Schnecken einsammeln, sonst fressen sie uns den Salat und das Gemüse weg. Ich denke, im Großen und Ganzen hilft der vielseitige, ganzheitliche Aspekt des Projekts den Kindern dabei, sich gewissenhaft mit der Natur auseinanderzusetzen und etwas über ökologische Nachhaltigkeit zu erfahren.
Wie profitieren Schülerinnen und Schüler von dem Angebot?
Roland Zettel Kreide: Für unsere Schülerinnen und Schüler ist das Angebot ein ganz besonderer Ort. Nicht nur der Raum selbst ist sehr offen, sondern auch die Köpfe der Menschen darin. Die Kinder und Jugendlichen können eigenständig entscheiden, was und wie sie lernen möchten: Egal ob sie ein Musical oder Theater aufführen, ob sie werken oder im Gemüsebeet arbeiten möchten – sie können machen, worauf sie Lust haben. Dadurch können sie sich selbst verwirklichen und erfahren dabei noch Demokratiebildung. Das Abenteuerland ist ein offener, freundlicher Ort, an dem unsere Schülerinnen und Schüler so akzeptiert werden, wie sie sind. Das ist leider sonst nicht immer der Fall. Ich habe auch die Hoffnung, dass sich das, was sie dort lernen, auf andere Lebensbereiche auswirkt – gerade, wenn sie Selbstwirksamkeit erleben. Aber es ist auch schön, dass sie dort Anregungen erhalten, wie sie ihre Freizeit auch ohne technische Geräte verbringen können.
Was interessiert die Kinder am meisten?
Ulla Hahn: Besonders interessant ist tatsächlich der Garten. Aber auch Tiere stehen ganz oben auf der Liste. Wir haben zum Beispiel eine Echsenburg mit den Kindern gebaut und eine alte Badewanne eingegraben, in der nun Kröten und Schlangen leben. Das ist für die Kinder wahnsinnig spannend. Sie stehen oft eine lange Zeit davor, weil sie wissen, dass sie sich ruhig verhalten müssen, damit die Tiere sich zeigen. Dadurch lernen sie, das Tierreich zu respektieren. Auch Insekten sind so ein Thema für sich. Ein Mitarbeiter hat eine Reihe von Insektenhotels mit Schulkindern gebaut, die mittlerweile im ganzen Abenteuerland verteilt sind. Auch hier schauen die Kinder ganz genau, was dort rein- und rausfliegt. Oft sind es einfach kleine Dinge, die für Kinder sehr aufregend sind, weil sie diese zuhause so eben nicht mehr erleben. Ein weiteres Highlight ist auch immer das Kochen am Feuer.
Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen dem Abenteuerland und der Schule genau ab?
Ulla Hahn: Wir freuen uns immer, wenn Schülerinnen und Schüler von der Carl-Heinrich-Rösch-Schule zu uns kommen. Wir informieren zum Beispiel auf Elternabenden über das Angebot, damit die Eltern davon erfahren. Weil sich samstags immer die Integrationsgruppen bei uns treffen, kennen das Angebot jedoch schon viele. Ich finde, dass viele Vorteile aus der Zusammenarbeit entstehen: Zum einen profitiert die Schule, weil die Kinder bei uns etwas lernen. Aber auch für Eltern ist es hilfreich, dass wir die Kinder betreuen. Und für uns ist es auch ein großer Vorteil, weil uns von Beginn an wichtig war, dass Kinder mit und ohne Behinderung zusammenkommen, gemeinsam etwas erleben und voneinander lernen.
Roland Zettel Kreide: Wir machen drei Dinge mit dem Abenteuerland gemeinsam: Das erste und für uns wichtigste ist, dass die Schülerinnen und Schüler die Angebote an den Wochenenden und Nachmittagen nutzen können. Sie werden an Schultagen sogar bei uns abgeholt. An unserer Schule gibt es zudem eine Berufsschulstufe, mit der wir auch immer mal wieder gemeinsame Arbeitsprojekte durchführen. Der dritte Aspekt ist, dass wir das Abenteuerland als außerschulischen Lernort nutzen können. Für uns ist die Zusammenarbeit sehr wichtig, es läuft immer alles sehr unkompliziert ab. Sie schaffen es super, auf verschiedene Kinder einzugehen. Kinder und Jugendliche können sich dort wirklich entfalten und wissen, dass sie dort so angenommen und akzeptiert werden, wie sie sind. Es gibt nicht viele Orte, die zeigen, dass Vielfalt Normalität ist.
Zu den Personen
Ulla Hahn ist Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses Lauchringen und leitet das vom Haus angebotene Projekt des Abenteuerlandes. Roland Zettel Kreide ist Schulleiter der Carl-Heinrich-Rösch-Schule, dessen Schülerschaft regelmäßig am Projekt teilnimmt.